Frau Wurster lässt Senf ab: Sei deine Retterin! Teil 2

Sandra Wurster | 15 September, 2020


          
            Frau Wurster lässt Senf ab: Sei deine Retterin! Teil 2

September 2020 / Was bedarf ich wirklich?

Ich musste nicht wirklich lange um Andreas „trauern“, weil Francesco „wieder“ in mein Leben trat. Der Francesco, der damals in der Jugend-Clique wahnsinnig in mich verknallt war, dem sein italienischer Stolz allerdings nicht gewährte, dies zuzugeben. Das war bereits damals ein großes Drama. Doch jetzt war ja alles anders – wir waren zwei erwachsene Menschen, die Lust hatten, sich sexuell zu amüsieren. Nach ersten Startschwierigkeiten beiderseits erlebte ich pure Leidenschaft, so intensiv wie noch nie. Ein begehrender Mann kann wahnsinnig attraktiv sein und dir wahrhaftig das Gefühl geben, dass du die schönste Frau auf dieser Welt für ihn bist. Dieses Gefühl gefiel mir natürlich, wem bitte nicht? Früher beneidete ich Freundinnen, die mehrere Orgasmen in einer Nacht hatten, und redete mir ein, dass das bei mir eben nicht möglich sei. Doch nachdem Francesco mit seiner animalischen Lust auch die Lust in mir immer mehr entfacht hatte, ich mich geöffnet hatte, neue Dinge auszuprobieren, und er mir tatsächlich mehrere Orgasmen in einer Nacht bereitet hatte, wusste ich, dass es möglich war, auch bei mir. Wie göttlich schön sexuelle Energie sein kann! Zum ersten Mal verstand ich, wieso Menschen davon abhängig wurden.

Doch in dem Wort Leidenschaft steckt schließlich auch das Wort Leiden – mehrere große und kleinen Dramen, mehrere On und Offs und viele böse Worte in nur sechs Monaten. Zusätzlich verliebte sich Francesco wieder in mich, was die Situation verkomplizierte, denn ich wusste nach vier Jahren Beziehung mit Timo genau, was ich nicht mehr wollte, und genau das brachte er alles mit. Doch dieser verdammte Sex war so verdammt gut, dass ich insgeheim hoffte, mich irgendwie doch noch in ihn zu verlieben (oder dass er die Tür stürmt, mich packt und ihr wisst schon… mein Sexleben war vor kurzem noch der schönste Erotikfilm, den ich jemals gesehen hatte). Aber das geschah nicht. Stattdessen wurde es immer komplizierter und er immer bedürftiger. So sexy es sein kann, wenn ein Mann alles für mich tut, so erdrückend kann es auch sein – immer eine Sache der Perspektive. Ich kam nicht drumherum, mich zu fragen, warum ich einen so bedürftigen Mann anzog, mit dem es so schwer war, aber der Sex so fantastisch. Und plötzlich sah ich es ganz klar: Ich konnte nur einen solchen Mann in mein Leben ziehen, weil ich selbst noch bedürftig war. Vielleicht nicht in demselben Ausmaß wie Francesco, aber ich machte mir etwas vor, wenn ich behauptete, dass ich frei davon war.

Denn ich kann nur das im Außen anziehen, was ich bereits in mir trage. Ich verstand auch, warum unser Sex so außergewöhnlich animalisch war: Wenn zwei Bedürftige aufeinander prallen, hat das natürlich eine elektrisierende Energie, aber eben häufig auch eine enorm toxische. Es ist ja so, dass die Bedürftigkeit oftmals aus Ängsten heraus entsteht. Meist sind das die Angst vor dem Verlassenwerden (die viele Menschen mitbringen, die von klein auf getrennte Familien-Haushalte gewohnt sind oder weitere traumatisierende Erfahrungen gemacht haben) und die Angst davor, „nicht genug“ Aufmerksamkeit und Liebe zu bekommen. Das kennen wir ja fast alle irgendwie, oder? Es treffen also selten ein „Geber-Mensch“ und ein „Nehmer-Mensch“ im idealen Verhältnis aufeinander, sondern meistens zwei „Nehmer-Menschen“, die gegenseitig von einander fordern, die Löcher in ihrem Herzen zu füllen. Ich gehe sogar einen gewagten Gedankengang weiter und überlege, inwiefern mir die Vaterfigur in meinem Leben gefehlt hat (da mein Vater tatsächlich kaum bis nie präsent war) und ob ich mich durch solch manischen Sex gefühlt zurück zu ihm auf den Schoss vögeln möchte. Aber das ist ein ziemlich komplexer Gedankengang, lassen wir das lieber. Mittlerweile verstehe ich es, wenn Sexualtherapeut*innen behaupten, dass bewusste Menschen, die kaum bis gar nicht bedürftig sind, so eine Sex-Erfahrung, wie ich sie mit Francesco machen durfte, nicht erfahren. Erst fand ich das leicht traurig, aber inzwischen finde ich es auch irgendwie wahnsinnig gesund.

Und obwohl es schön war, Francesco an meiner Seite zu haben und mit der Illusion von einem zukünftigen Wir zu spielen, wurde mir klar, dass mich stets unsere ganzen Dramen beschäftigten und ich mich somit nicht einsam fühlen musste. Doch wer sich einsam fühlt, hat sich höchstwahrscheinlich vor langer Zeit selbst verlassen, und das habe ich. Zu sehr mochte ich diese Abi-Fahrt-Stimmung und die Aufregung in meinem Leben, die mir Andreas gab und die durch Francisco weitergeführt wurde. Obwohl ich diese lehrreichen Erkenntnisse sammeln durfte, kam ich bei Francesco nicht in die Handlung, sondern fiel wieder in alte Muster zurück. Mein Business Coach sagt immer: „Wenn es besonders schwer wird, stehst du kurz vor dem nächsten Level.“ Das war nun meine Gelegenheit, mir und dem Universum zu zeigen, was ich gelernt hatte, was ich besser machen und wie sehr ich es wirklich wollte. Und das ist universell auf alle Lebensbereiche anwendbar.

Doch was wollte ich?

Ich habe mir noch nie wirklich Gedanken gemacht, was für einen Mann, was für einen Partner ich überhaupt in meinem Leben haben möchte. Welche Art von Beziehungsmodell zu mir und meinen Bedürfnissen passt. Ich war lange der Überzeugung, dass ich darauf keinen wirklichen Einfluss habe, sich die Dinge eben so ergeben und ich sie einfach hinnehmen muss. Allerdings weiß ich aus anderen Lebensbereichen, wie gut es mir tut, zu wissen, was ich will, und auch den Glauben daran zu haben, es zu schaffen. Das ist ein ziemlich intensiver Mindset-Prozess. Ich fokussiere genau die Dinge, die ich will, und bin damit sogar sehr erfolgreich. Natürlich kann ich mir keinen Brett Pit visualisieren, doch ich kann mir klarer über die Eigenschaften werden, die mein Partner mitbringen muss, das letzte Jahr reflektieren und mich endlich um meine eigenen Bedürfnisse kümmern – statt ständig darauf zu hoffen, dass ein Prinz angeritten kommt und mich rettet. Ich bin bereits jetzt eine verdammte Königin und verdiene immer das Beste, vor allem, gut von mir selbst behandelt zu werden. All diese kostbaren Erkenntnisse der letzten Monate brauchen Zeit, um verdaut zu werden. Und ja, ich hatte vier Jahre lang Angst davor, hinzusehen, wie viele Dinge sich in meiner Beziehung fanden, die ich nicht wollte. Ich durfte die Lebendigkeit in mir wieder erkennen, aufhören, mich vor Abenteuern zu fürchten, und die leidenschaftliche Energie neu für mich gewinnen (darüber müssen wir bei Bauchrauen unbedingt viel, viel mehr reden). Und jetzt freue mich darauf, mir wirklich, wirklich Gedanken darüber zu machen, was ich wirklich, wirklich für einen Mann will.

Doch unabhängig davon: Welches größere Geschenk kannst du dir selbst und dem Leben machen als dich wahrhaftig um dich selbst und all deine Bedürfnisse zu kümmern? Ich weiß, Oscar Wild sagte bereits “Die größte Romance ist die Beziehung zu dir selbst“ – genau das predige ich auch in meinen Vorträgen und unseren Workshops. Doch die tiefe Dimensionen dieses Zitats war mir nie wirklich klar. Ich dachte, ich kann mich eben körperlich feiern und mit all meinen „Makeln“ lieben, doch dass dies erst der Beginn ist, war mir lange nicht bewusst. Du kannst deine Bedürfnisse weitestgehend selbst stillen: Du kannst gut zu dir sein wie eine liebevolle Mutter, die lecker für dich kocht, dich an Pausen erinnert und dir gut zuredet. Du kannst lieben wie eine liebevolle Freundin, die Sachen mir dir macht, die dir wahnsinnig viel Freude bringen, wie zu tanzen, auf dem Bett zu springen oder neue Klamotten-Kombinationen auszuprobieren. Du kannst lieben wie eine leidenschaftliche Partnerin es tut und dich selbst um deine Lust kümmern, dich mit Blumen beschenken und dich an wunderschönen Orte führen. Am besten erstellst du dir heute noch eine Liste, was du alles tun kannst, um deine tiefsten Sehnsüchte und Bedürfnisse selbst zu stillen! Du wirst erstaunt sein, wie viel du davon selbst erfüllen kannst.

Das geht? Ja, wenn du begreifst und wirklich wahrnimmst, dass da immer jemand ist, der auf dich wartet – nämlich du! Wie singt der Sänger Cro so schön: „Ich habe mich selbst gelebt.“ Das möchte ich auch sagen können und ich weiß, ich bin auf dem besten Weg dorthin.

Und das Tolle ist: Wenn du dir wahrhaftig selbst reichst und dir alles geben kannst, was du brauchst, – in meinem Fall wären es die Sicherheit und die Unabhängigkeit, meine eigene Retterin zu sein, „Nachtisch“ so oft wie möglich zu genießen, wie Cher sagt, mein eigener reicher Mann zu sein, leidenschaftlich mit mir selbst zu sein und mich glücklich zu machen – brauchst du dann wirklich noch „den richtigen Mann“?

Ganz viel Bauchliebe & Licht an dich, Deine Sandra

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